CADISTORIA
N E M R U T D A G H

Ruinenstätte Nemrut Dagi (Weltkulturerbe seit 1987)

Zu Beginn unserer Zeitrechnung lebte in einem kleinen Königreich am Rande Mesopotamiens der König Antiochos. Und dieser wollte sich selbst ein Denkmal setzen, wie wohl viele vor und nach ihm auch. Desshalb ordnete er an, dass ein Berg seine Begräbnisstädte werden soll, der mittels eines steinernen Tumulus erhöht wurde. Darumherum sind 3 Terassen angelegt worden, zwei davon verziert mit allerlei Statuen. Glücklicherweise überdauerte das Bauwerk verhältnissmässig gut erhalten die letzten 2000 Jahre, und so kann man diese Auswüchse des Grössenwahnsinns des Antiochos noch heute auf dem Nemrut Dagh bewundern.

Auf dem ungefähr 2200 Meter hohen Berg Nemrut liess sich der König Antiochos zur Zeit des römischen Imperiums ein Grabmahl errichten. In einem Anfall von Grössenwahn wurde der Berg mittels einer Schutt-pyramide künstlich erhöht, und diesen 'Grabstein' wurde mit diversen Götter- und Königs- sowie Tierfiguren beschmückt. Auf dem Bild ist die Westterasse mit den inzwischen vom Sockel gefallenen Statuen zu erkennen.

Kulturdenkmal: auf dem verkarsteten Kalkgebirgsstock Nemrut Dagi in 2150 m Höhe 50 m hoch aufgeschüttete Kult- und Grabstätte des kommagenischen Königs Antiochos I. mit Kolossalfiguren auf der Westterrasse, dem Prozessionsweg, dem Stufenaltar auf der 500 m2 großen Ostterrasse, reicher Skulpturenschatz mit Darstellung des bärtigen Zeus mit persischer Tiara und Diadem und der Landesgöttin Kommagene mit einem Früchtekorb auf dem Haupt

Bedeutung: eines der ambitioniertesten Bauwerke Kleinasiens aus hellenistischer Zeit und Beispiel der Verschmelzung hellenistischer und persischer Kultur

Geschichte

163 v. Chr. Unabhängigkeit des Reiches von Kommagene nach Zerfall des Seleukidenreiches
69-38 v. Chr. Antiochos I.
72 Zerfall des Königreiches Kommagene, Teil der römischen Provinz Syria
1882 Aufzeichnungen über die Kultstätte von Karl Humann

 

Der Thron der Götter

"Ich glaubte, die Frömmigkeit sei nicht nur der für uns Menschen sicherste Besitz unter allen Gütern, sondern auch die süßeste Freude. (...) Als ich beschloss, die Fundamente dieses Hierothesions in die Nähe der himmlischen Throne zu legen, damit dort die äußere Hülle meines bis ins hohe Alter wohl erhaltenen Leibes bis in unendliche Zeiten ruhe, (...) da nahm ich mir zudem noch vor, diesen heiligen Ort zum allen Göttern gemeinsamen Thronsitz zu erklären." So beginnt die große Inschrift auf der Rückseite der monumentalen Götterstatuen auf der Ostterrasse des Kultheiligtums auf dem Nemrut Dagi. In 2150 Meter Höhe legen die gewaltigen Steinmonumente mit ihren zerborstenen und verwitterten Skulpturen und Reliefs Zeugnis einer großen Vergangenheit ab. Hier war das Zentrum des hellenistischen Königreichs von Kommagene, im 2. Jahrhundert vor Christus ein Pufferstaat zwischen der römischen Herrschaft im Westen und dem Reich der Parther im Osten. Sein bedeutendster Herrscher war Antiochos I., der sich den Göttern gleichstellte, den Gipfel des Berges zu einer gigantischen Grabanlage umgestalten und auf zwei Terrassen im Osten und Westen die "Throne der Götter" errichten ließ. Die Bergkuppe ließ er abtragen, das Gestein zu Schotter zerkleinern und wieder zu einem 50 Meter hohen künstlichen Kegel aufschütten. So entstand ein gewaltiger Grabhügel, in dessen Tiefe das noch immer unversehrte Grab des vergöttlichten Königs ruht, unbehelligt von den Grabräubern früherer Zeiten und noch immer unerreichbar für die Archäologen unserer Zeit.

 

Statue (Kopf) des Antiochos I.
Viele Jahrhunderte lang blieben die steinernen Zeugen der Welt verborgen. Erst zu Ende des 19. Jahrhunderts wurde das Heiligtum wiederentdeckt und seitdem systematisch erforscht und wieder hergestellt. Seit 1987 versucht man, mit Hilfe moderner geophysikalischer Methoden das Innere des Grabhügels zu vermessen, um die im Fels vorhandenen Hohlräume zu erkunden und auch die Grabkammer Antiochos' I. zu finden. Auf den beiden Terrassen thronen jeweils fünf Götter, die von Löwen und Adlern flankiert werden. Die Darstellungen der Götter bilden eine ungewöhnliche Synthese der griechischen und persischen Götterwelt; sie zeigen Zeus-Oromasdes, Apollon-Mithras, Herakles-Artagnes, die Landesgöttin Kommagene sowie den Gottkönig Antiochos selbst, der sich selbstbewusst in die Galerie der Götter einreihte.

 

Blick auf die Kolossalstatuen auf der Westterrasse
Antiochos leitete seine Herkunft gleichermaßen von griechischen und persischen Vorfahren her, mütterlicherseits über Alexander den Großen von Zeus und väterlicherseits über die Perserkönige von dem höchsten persischen Gott Ahura Mazda. Mit dieser Ahnenreihe begründete er sein göttergleiches Wesen. In dieser Überzeugung ließ er die Kultbilder der Götter "nach persischer und griechischer Überlieferung entsprechend seiner doppelten Abkunft" errichten, wie es eine Inschrift bezeugt. Diese Ahnenreihen, auf denen die Vorfahren, beginnend mit Dareios I. auf der einen und Alexander dem Großen auf der anderen Seite, versammelt sind, bilden ein einzigartiges "Bilderbuch antiker Genealogie".

 

Ansicht der Reliefplatten hinter dem Kopf des Antiochos
Die bewusste Gleichstellung mit den Göttern manifestiert sich besonders eindrucksvoll in den vier Begrüßungsreliefs, auf denen der König von Apollon-Mithras, Herakles und der Landesgöttin Kommagene willkommen geheißen und als ihresgleichen anerkannt wird. Griechische und persische Einflüsse vermischen sich auch in der Darstellung der Figuren: Herakles wird nach griechischer Sitte nackt dargestellt, während die anderen Götter ebenso wie die persischen Vorfahren auf den Reliefplatten persische Tracht tragen: lange, mit Ornamenten verzierte Gewänder und einem Hahnenkamm gleichende Kopfbedeckungen. Das Grab Antiochos' I. auf der Spitze des Berges manifestiert als weithin sichtbares und einprägsames Symbol den Anspruch, "in der Nähe der Götter" und ihnen gleich zu sein. Der neue Kult, der "von immerwährender Dauer" sein sollte, überlebte seinen Schöpfer allerdings nur um wenige Jahrzehnte.

 

Quelle: Wolfgang Dorn Jg. 1944, Studiendirektor, Tätigkeit als Fachleiter für Deutsch am Studienseminar Hannover III., Veröffentlichungen zur Kultur der Türkei

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